Da liegt es nun, sieht aus wie ein Stein -
das soll ein wahrhaftiges Drachenei sein ?!
Die Weisen und Alten berichteten mir,
dieses Ei sei vom uralten Elomyr,
der einst in längst vergangenen Tagen
in Dragosien erschien, um Menschen zu jagen.
Er fand hier die Liebe zu Ayralosar,
doch das Schicksal gönnte sie ihm nur ein Jahr.
Dann starb sie, ihr Stern ging auf am Zenit,
ein Ei war das einzige, was ihm von ihr blieb.
Sein Herz zerbarst vor Kummer und Gram,
das Ei fand man später in seinem versteinerten Arm.
Als man es löste aus Elomyrs Fängen
da fing sein Körper lichterloh an zu brennen.
Dieses Feuer war es, das weckte das Leben,
das Elomyr und Ayralosar dem Ei einst gegeben.
Nun liegt in Rendelsiens einzigem Turm
das pochende Ei, das noch birgt den Lindwurm.
Da plötzlich ein Beben, ein Pochen, ein Schreien,
das kann nur im Turm Rendelsiens sein!
Ich laufe hinauf, um zu retten das Ei,
komme stürzend ins Zimmer: Es ist schon entzwei!
Die Schale zerbrochen, geborsten das Rund
und mittendrin sitzt mit gierigem Schlund
ein Drachenbaby, noch ganz winzig und klein,
man sieht`s ihm schon an: Ein Held wird es sein.
Die Augen wie Bernstein, ein Leuchten darin,
es schaut mich kurz an und weiß wer ich bin.
Erst ein Blick, dann ein Wissen, zum Schluss gar Verstehen:
Wir zwei werden gemeinsam in die Zukunft gehen.
Nun erkenne ich auch, was ich erst übersah:
Dieser Drache ist weiblich - und heißt "Angora".
Kein niedliches Häschen, keine schnurrende Katze,
ein uraltes Wesen mit Schuppen und Tatze,
mit Zähnen und Krallen, die jetzt schon recht scharf,
mit Muskeln und Flügeln, doch scheint sie noch brav
auf ihr erstes Futter von mir zu warten.
So geh` ich zum Obstholen in den Garten,
beim Metzger bestelle ich Fleisch von 4 Kühen,
auch muss ich mich um Fässer mit Wasser bemühen.
Das alles bring ich hinauf in ihr Zimmer,
belohnt werde ich mit dem glücklichen Schimmer
ihrer Augen als sie beginnt zu zermalmen das Essen.
Diesen Anblick werde ich niemals vergessen.
gedichtet in den Sternstunden Rendels
(Fortsetzung folgt)